Donnerstag, 29. November 2012
Das Dilemma 'Dick beim Sport'
... wird in diesem Artikel (bei Jezebel, auf Englisch) schön zusammengefasst.



Problem Nr. 1: Genau so, wie sie es sagt. In der Muckibude ist man als Dicke an einem Ort, wo (fast) alle verzweifelt daran arbeiten, nicht so zu sein wie man selbst, und natürlich nehmen sie an, man wolle nicht-man-selbst werden. Das nervt. In meiner Muckibude hatten die Trainer neulich eine von oben verordnete Freundlichkeits- und Ansprechoffensive, da kam zweimal einer vorbei und wollte mir ungefragt Diättips geben. Jeder Dicke will abnehmen, glauben die immer noch, und wenn er Sport macht, erst recht.

Problem Nr. 2: Wird illustriert von meinem letzten Post: 'Das will doch keine sehen!' Dicke werden vom Sport abgehalten, weil keiner die Speckrollen in engen Sportklamotten energisch wabbeln sehen will. Es gibt genug dicke Blogger, die berichten, wie sie beim Joggen oder Radeln von irgendwelchen Autos (!!) aus irgendwelchen Scheiß nachgerufen kriegten. Das ist mir, ehrlich gesagt, seit etwa 1994 nicht mehr passiert. Ich habe eher zu tun mit

Problem Nr. 3: Fehlgeleitete Ermutigung. "Ui, das finde ich aber klasse und mutig, dass du so tapfer gegen deine Pfunde kämpfst" -- danke, ihr seid nette Leute, und wenn wir erleuchtet sind, dann halten wir uns an Golda Poretsky's Ratschlag, und nehmen die Komplimente einfach hin, denn es ist nicht unser Job, jeden Idioten eines Besseren zu belehren. Aber manchmal ist man eben nicht besonders erleuchtet, und auf Dauer nervt es.

Health At Every Size bedeutet, intuitiv zu essen und sich so zu bewegen, dass es Spaß macht. Für mich bedeutet intuitives Essen gerne auch Grün- und Gesundfutter, weil ich merke, dass es mir massiv besser bekommt -- vor dem Beginn meiner großen HAES-Offensive vor etwa einem Jahr habe ich diese Anti-Sodbrennen-Kreidetabletten gefressen wie Bonbons, und beim Intuitiven Essen mit mehr Grünzeug und keinen hochkonzentrierten Kohlehydraten + tierischen Fetten geht es meinem Magen so viel besser, dass ich die übriggebliebenen 'Kreide'-Tabletten (eigentlich irgendwelches Magnesiumzeugs) irgendwann im Frühjahr beim Aufräumen weggeschmissen habe. So sieht Besserung im Allgemeinbefinden aus -- vergesst den Abnehmscheiß!

Es nervt aber doch ein bisschen (dauernd ein bisschen, so lange, bis man unbedingt was sagen muss), wenn in (fast) jedem Umfeld, das den Themen 'Gesundes Essen und Bewegung, die Spaß macht' gewidmet ist, das Abnehmen als zentrales Ziel und Hauptindikator für Gesundheit gilt, und man ständig subtrahieren muss, um die eigene Agenda im dickenfeindlichen Umfeld durchzuziehen.

Da gibt es zum Beispiel diese brilliante neue Zeitschrift/Webseite zum Thema gesunde Ernährung, die ich schon erwähnt habe. Auf Papier habe ich das nicht, aber im Internet gucke ich da oft vorbei. Die haben klasse Ideen!! Deren spanisch angehauchte Variante von Grünkohl mit Pinkel ist total originell und zum Niederknieen lecker, und ich habe das diesen Winter garantiert nicht zum letzten Mal gekocht, solange es beim Bio-Supermarkt um die Ecke frischen Grünkohl gibt. Unbedingt nachmachen, darum setze ich tatsächlich mal einen Link dort hin. Klickt aber lieber nicht weiter, weil dort überall so kleine fiese Nervtöter zum Thema "Abnehmen, Abnehmen, Kalorien Sparen!" herumlungern, bei denen ich immer die Augen rollen muss und denke, "Möööönsch, Leute, das ist alt, gesunde Ernährung hat auch andere Ziele als Gewichtsverlust, auch wenn die meisten Leute sie dafür missbrauchen", und dann subtrahiere ich das im Geiste und denke mir meinen Teil und lese lieber, warum dieses oder jenes Gemüse besonders gesund ist. Gurken enthalten ein Enzym, das dem menschlichen Verdauungssystem hilft, tierische Proteine leichter aufzuspalten, ist das nicht klasse? Bei großem Fleisch-Jieper (kommt beim Muskelaufbau) also immer Gurke in den Salat, oder Tsatsiki dazu...

Ich schweife ab. Ich wollte ja nur protestieren, dass ich mich gerne abnehmpropagandafrei in einem Sport- und Gesundfutter-Umfeld bewegen würde. Aber leider ist es im Moment (zumal in Deutschland) noch so, dass die überwiegende Masse der Menschen gar nicht weiß, dass 'Dick = schlecht und ungesund' und 'Jeder Dicke will und kann abnehmen' zwei Glaubensgrundsätze sind, die einfach nicht wahr sind. Dass es alternative Meinungen geben kann.

Da ist es dann, im übertragene Sinne, mal wieder verdammt einsam im Mittelteil...

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