Montag, 4. Juli 2011
Projektionen der Weiblichkeit
Immer noch offtopisch!

Auch bei Telepolis bemüht sich einer, über die Frauen-Fußball-WM nach Kräften die Nase zu rümpfen. Sein schönstes Argument: "Die Männer versuchen sich ja auch nicht bei den klassischen Mädchen-Sportarten!"

Aus völlig anderen Gründen, weit jenseits von dem, worum es sich in diesem Blog dreht, hat mich neulich jemand zu einem verständlichen wissenschaftlichen Aufsatz eines Finnen über Übertretungen in der Geschlechtsrollenidentität im altskandinavischen Kulturraum gelinkt. "Schwule Wikinger" beschreibt es wirklich nicht; der Finne faßt vielmehr kurz, verständlich und auf Englisch zusammen, was andere ausführlich und in unverständlichen skandinavischen Sprachen aus Quellen erforscht haben, und es geht auch mehr um traditionelle Projektionen von Männlichkeit und Abwesenheit derselben. Die money quote in dem gesamten Text ist Folgendes:
The historian Carol J. Clover (1993) has suggested that the Old Scandinavian gender system can actually be characterised as a one gender model. The only gender was the normative masculinity, which was constituted by the performances of an individual and could be lost very easily. There were two levels of gender continuity: the biological males and some females who fulfilled the vigorous demands of masculinity, at least temporarily, and the rest who did not: most females, children and the old, disabled, low-status or effeminate males.


Wir halten fest: nur eine positiv definierte Geschlechtsrollenidentität, die allen Männern per Default und einigen wenigen Frauen per Leistung oder Stellung (zumindest temporär) offen steht, und alles andere, was durch Abwesenheit der mit dieser Rolle verbundenen Leistung stufenweise definiert wird. Zur Durchsetzung dieses positiven Männlichkeitsstatus gehört auch immer ein gewisses Maß an Gewalt, oder zumindest die Fähigkeit, Gewalt glaubwürdig androhen zu können. Diese Rolle und die mit ihr verbundenen Privilegien kann man jederzeit a) durch passive sexuelle Penetration und b) durch irgendeine andere "unmännliche" Tätigkeit unwiderruflich einbüßen.

Und mit dieser "Brille" lesen wir jetzt bitte den Text bei Telepolis nochmal. Warum erfordert es wohl so viel mehr Mut und Engagement, als Mann ein "weiblich" besetztes Tätigkeitsfeld (zurück) zu erobern (Friseur und Grundschullehrer waren früher mal ganz normale Männerberufe), als als Frau in eine Männerdomäne vorzustoßen? Noch Fragen?


Ich weiß, ich weiß, wir sind keine Wikinger (mehr), aber (auch) mit Umweg über den dominierenden englisch-amerikanischen Kulturkreis steckt immer noch viel Angelsächsisches und (über Nordengland, Schottland und Irland) Skandinavisches im globalisierten Selbstbild des Menschen. Fußballerinnen haben es in der Kontinuität noch gut; da rümpfen nur die Machos vom "Blutgretchen" und dieser komische Kerl bei Telepolis ein wenig ihre Nasen. Ansonsten fallen sie noch mehr unter 'Schildjungfrauen'. (Für mehr populärkulturell Gebildete: Eowyn!) Als männlicher Synchronschwimmer hast du jedoch sofort total verloren. Da bist du ja sowas von ergi...

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren