Privilegien und Diagnosen
Am Freitag, 17. Mai 2013 von xarminta im Topic 'Fatosphere'
Die Front des 'Kriegs gegen die Adipositas' verläuft (unter anderem) zur Zeit direkt durch das Tumblr-Blog This Is Thin Privilege, das (von einigen Moderatoren aus der Fat Acceptance-Bewegung überwacht) Beiträge postet, wie einzelne Personen das Fehlen von thin privilege empfinden.
Das Blog wird massiv getrollt und wurde auch schon bei Tumblr selber als gefährlich angeschwärzt, weil es die Benachteiligung der Dicken als 'das ist es, was Dünnen nicht zustößt, nur weil sie dünn sind' formuliert, und da halt jede Menge privilegierte Dünne durchkommen, die sich entweder beleidigt fühlen, oder unbedingt wollen, dass man anerkennt, sie hätten es auch schwer, weil Bla Bla Bla -- dabei geht es darum gar nicht. Der Schlankheitswahn geht zwar auch um Dünne (wenn jeder Dicke abnehmen kann, kann jeder Dünne ja auch dick werden, also erweitert sich die potentielle Kundschaft der Abnehm-Branche schlagartig auf 100% der Bevölkerung, was mich immer nur an den apokalyptischen Reiter des Hungers aus Good Omens erinnert), aber TITP geht nur darum, wie sich Dicke gegenüber Dünnen benachteiligt finden, und wenn da irgendwelche Dünnen oder Abnehm-Apostel vorbeikommen und auch beachtet werden wollen, ist das Trollerei. Und davon gibt es da jede Menge.
Soviel zur Vorstellung der Site.
Mit geht es jetzt spezifisch um diesen Beitrag zum Thema Behandlung von Dicken im Gesundheitssystem. Dazu muss ich sagen, ich habe mich wie gesagt von meinen Ärzten in den letzten anderthalb oder so Jahren sehr gut behandelt gefühlt, keine der Gruselgeschichten, die ich online so gelesen habe, hat mich je selber betroffen. Ich wurde für das behandelt, was mit mir los war, und niemand versuchte, mir wegen 'das liegt alles am Fett' eine Behandlung zu verweigern. Niemand hat mir eine Magenverstümmlung vorgeschlagen oder so etwas, wie damals dem längst verschwundenen Blogger-Urgestein, deren Nierenbecken-Entzündung erst diagnostiziert wurden, als die brutalen Schmerzen in ihrem unteren Rücken nach Magenverstümmlung und dem (in der Regel erstmal folgenden) brutalstmöglichen Gewichtsverlust nicht verschwunden waren.
Nein, meine Behandlung war korrekt, und die Probleme verschwanden Zug um Zug -- jetzt habe ich gerade noch einen weiteren kleinen Schlenker hinter mir, der größer wurde als geplant, mit dem aber wohl nun die ursprüngliche Ursache meiner Probleme erschöpfend erschlagen worden ist.
Was mich nur immer anhaltend geärgert hat, war das Mitschleifen der Bemerkung 'Adipositas permagna' auf der Liste der Diagnose(n), von der ersten Einweisung durch den Notarzt im Herbst 2011 bis zum Arztbrief von meiner Krankenhaus-Entlassung heute vor zwei Wochen. Das ist keine gottverdammte Krankheit, es ist nur eine Beschreibung meines körperlichen Zustands, der an sich nicht behandlungbedürftig ist, verdammte Hacke nochmal!! Genausogut könnten sie 'leichte Iris-Heterochromie im rechten Auge' reinschreiben.
Dieser TITP-Beitrag jedoch hat mich endlich aufgeklärt: vor einigen Jahren wurde zumindest in England die Bemerkung 'Adipositas' bzw. 'Obesity' auf der Prioritätenliste der Co-Diagnosen ganz nach oben geschoben, das heißt, diejenigen, die medizinsiche Daten in Krankenhäuser für Abrechnungs- und Statistik-Zwecke erfassen, müssen immer zuerst das Übergewicht nennen, auch wenn der Patient noch Asthma, Herzinsuffizienz, grünen Star oder sonstwas chronisch hat. Auch wenn es nur ein einziges Eingabefeld für Ko-Morbidität gibt; wenn es mehrere gibt, kommt 'Obesity' ganz nach oben.
Daher also die plötzliche Übergewichts-Epidemie, deren Einsetzen zumindest in England genau mit dieser Handlungsanweisung im NHS zusammenfällt. Und ich bin mir sicher, hier ist es nicht anders. In der statistischen Auswertung werde ich als Fall aufschlagen, der Krankheit A und B gehabt hat, mit einer Korrelation zu Adipositas, aus der der populistische Statistik-Auswerter dann wieder eine Kausalität macht. Dabei hatte ich Krankheit A, die zum Teil auch von Krankheit B mitverursacht war, und bin nebenbei noch dick. Und habe nebenbei noch einen hellbraunen Sprenkel im rechten meiner sonst grüngrauen Augen...
Money Quote aus dem Posting, in ganzer Länge und auf Deutsch:
Das Blog wird massiv getrollt und wurde auch schon bei Tumblr selber als gefährlich angeschwärzt, weil es die Benachteiligung der Dicken als 'das ist es, was Dünnen nicht zustößt, nur weil sie dünn sind' formuliert, und da halt jede Menge privilegierte Dünne durchkommen, die sich entweder beleidigt fühlen, oder unbedingt wollen, dass man anerkennt, sie hätten es auch schwer, weil Bla Bla Bla -- dabei geht es darum gar nicht. Der Schlankheitswahn geht zwar auch um Dünne (wenn jeder Dicke abnehmen kann, kann jeder Dünne ja auch dick werden, also erweitert sich die potentielle Kundschaft der Abnehm-Branche schlagartig auf 100% der Bevölkerung, was mich immer nur an den apokalyptischen Reiter des Hungers aus Good Omens erinnert), aber TITP geht nur darum, wie sich Dicke gegenüber Dünnen benachteiligt finden, und wenn da irgendwelche Dünnen oder Abnehm-Apostel vorbeikommen und auch beachtet werden wollen, ist das Trollerei. Und davon gibt es da jede Menge.
Soviel zur Vorstellung der Site.
Mit geht es jetzt spezifisch um diesen Beitrag zum Thema Behandlung von Dicken im Gesundheitssystem. Dazu muss ich sagen, ich habe mich wie gesagt von meinen Ärzten in den letzten anderthalb oder so Jahren sehr gut behandelt gefühlt, keine der Gruselgeschichten, die ich online so gelesen habe, hat mich je selber betroffen. Ich wurde für das behandelt, was mit mir los war, und niemand versuchte, mir wegen 'das liegt alles am Fett' eine Behandlung zu verweigern. Niemand hat mir eine Magenverstümmlung vorgeschlagen oder so etwas, wie damals dem längst verschwundenen Blogger-Urgestein, deren Nierenbecken-Entzündung erst diagnostiziert wurden, als die brutalen Schmerzen in ihrem unteren Rücken nach Magenverstümmlung und dem (in der Regel erstmal folgenden) brutalstmöglichen Gewichtsverlust nicht verschwunden waren.
Nein, meine Behandlung war korrekt, und die Probleme verschwanden Zug um Zug -- jetzt habe ich gerade noch einen weiteren kleinen Schlenker hinter mir, der größer wurde als geplant, mit dem aber wohl nun die ursprüngliche Ursache meiner Probleme erschöpfend erschlagen worden ist.
Was mich nur immer anhaltend geärgert hat, war das Mitschleifen der Bemerkung 'Adipositas permagna' auf der Liste der Diagnose(n), von der ersten Einweisung durch den Notarzt im Herbst 2011 bis zum Arztbrief von meiner Krankenhaus-Entlassung heute vor zwei Wochen. Das ist keine gottverdammte Krankheit, es ist nur eine Beschreibung meines körperlichen Zustands, der an sich nicht behandlungbedürftig ist, verdammte Hacke nochmal!! Genausogut könnten sie 'leichte Iris-Heterochromie im rechten Auge' reinschreiben.
Dieser TITP-Beitrag jedoch hat mich endlich aufgeklärt: vor einigen Jahren wurde zumindest in England die Bemerkung 'Adipositas' bzw. 'Obesity' auf der Prioritätenliste der Co-Diagnosen ganz nach oben geschoben, das heißt, diejenigen, die medizinsiche Daten in Krankenhäuser für Abrechnungs- und Statistik-Zwecke erfassen, müssen immer zuerst das Übergewicht nennen, auch wenn der Patient noch Asthma, Herzinsuffizienz, grünen Star oder sonstwas chronisch hat. Auch wenn es nur ein einziges Eingabefeld für Ko-Morbidität gibt; wenn es mehrere gibt, kommt 'Obesity' ganz nach oben.
Daher also die plötzliche Übergewichts-Epidemie, deren Einsetzen zumindest in England genau mit dieser Handlungsanweisung im NHS zusammenfällt. Und ich bin mir sicher, hier ist es nicht anders. In der statistischen Auswertung werde ich als Fall aufschlagen, der Krankheit A und B gehabt hat, mit einer Korrelation zu Adipositas, aus der der populistische Statistik-Auswerter dann wieder eine Kausalität macht. Dabei hatte ich Krankheit A, die zum Teil auch von Krankheit B mitverursacht war, und bin nebenbei noch dick. Und habe nebenbei noch einen hellbraunen Sprenkel im rechten meiner sonst grüngrauen Augen...
Money Quote aus dem Posting, in ganzer Länge und auf Deutsch:
Deswegen gibt es also diesen plötzlichen "Anstieg" bei Krankheiten, die mit Adipositas in Verbindung gebracht werden. Es gibt keineswegs mehr Dicke, oder mehr Krankheiten, die vom Dicksein verursacht werden. Es ist nur so, dass die Leute, die die statistischen Daten erfassen, vom Prozedere gezwungen werden, Dicksein anstelle tatsächlicher Krankheiten priorisiert zu erfassen.
sphingula04,
Sonntag, 19. Mai 2013, 16:51
Statt "Adipositas permagna" könnte genauso gut auch "morbide Adipositas" auf den Arztberichten/Befunden stehen. So gesehen, geht's Dir doch noch gut. :-)
Und darüber, ob es nun krankhaft und behandlungsbedürftig oder eben einfach nur eine Beschreibung des Ist-Zustandes ist, dürften die Meinungen zwischen Dir und manchen Deiner behandelnden Ärzte vermutlich auch auseinander gehen. Was nicht heißt, dass sie deswegen Behandlungen verweigerten o.ä.!
Ach so, wenn Du wegen Verdachts auf Waardenburg-Syndrom o.ä. ins Krankenhaus geschickt worden wärst, stünde wahrscheinlich die 'leichte Iris-Heterochromie im rechten Auge' im Bericht. Wärst Du dann glücklicher? ;-)
Und darüber, ob es nun krankhaft und behandlungsbedürftig oder eben einfach nur eine Beschreibung des Ist-Zustandes ist, dürften die Meinungen zwischen Dir und manchen Deiner behandelnden Ärzte vermutlich auch auseinander gehen. Was nicht heißt, dass sie deswegen Behandlungen verweigerten o.ä.!
Ach so, wenn Du wegen Verdachts auf Waardenburg-Syndrom o.ä. ins Krankenhaus geschickt worden wärst, stünde wahrscheinlich die 'leichte Iris-Heterochromie im rechten Auge' im Bericht. Wärst Du dann glücklicher? ;-)
xarminta,
Sonntag, 19. Mai 2013, 23:07
Nein, meine Ärzte waren brav und hilfreich. Und ja, wie kämen sie darauf, von alleine das Mem von 'Adipositas als Krnakheit' anzuzweifeln? Es ist ja schließlich etwas, das 'jeder weiß'. Das zweifelt man nicht so einfach mal aus Jux und Dollerei an.
Der Punkt war aber, dass im Rahmen der Datenerfassung beim britischen NHS auch beim Waardenburg-Syndrom dann auf der Liste der Ko-Morbidität als oberstes 'Adipositas' stehen würde. So daneben sind deren Prioritäten.
Der Punkt war aber, dass im Rahmen der Datenerfassung beim britischen NHS auch beim Waardenburg-Syndrom dann auf der Liste der Ko-Morbidität als oberstes 'Adipositas' stehen würde. So daneben sind deren Prioritäten.
sphingula04,
Sonntag, 19. Mai 2013, 23:12
Eine Iris-Heterochromie ist an und für sich auch nach gängiger medizinischer Meinung keine behandlungsbedürftige Anomalie - also keine Ko-Morbidität, sondern ein Indiz für ein eventuelles Waardenburg-Syndrom und insoweit potentiell diagnoserelevant.
Andere Baustelle, also. :-)
Andere Baustelle, also. :-)
xarminta,
Sonntag, 19. Mai 2013, 23:20
Ja, das habe ich bei Wikipedia inzwischen auch gelesen. Hier geht es aber weniger um ernsthafte, gewissenhafte Medizin, als um Medizinstatistik und den Umstand, dass diese Leute immer die 'Diagnose' Adipositas bevorzugt mitschleifen, auf Anweisung. Deshalb schint es dann eine Korrelation zwischen Dicksein und allen möglichen Schwachsinnskrankheiten zu geben, die dann die Medien wieder berichten und als Kausalität darstellen.
Das ist natürlich ausgesprochen schädlich und nicht hilfreich im Einzelfall.
Das ist natürlich ausgesprochen schädlich und nicht hilfreich im Einzelfall.