Die Todesdrohung
'Aber ihr werdet alle sterben!!' und "Denkt an eure Gesundheit!!' ist der Kampfschrei aller, die meinen, man müsse jeden letzten Dicken zum Abnehmen und zum Dünnsein bekehren. Dabei sind die unbelehrbaren, selbstbewussten Dicken gerade erst frisch aus der unausweichlichen Staatsreligion mit großen Mühen ausgetreten und haben sich befreit von dem, 'was alle wissen'.

Das mit dem Bekehren-Müssen, das lebt in dem selben merkwürdigen Paralleluniversum, in dem man abnehmwilligen Dicken gratuliert, es sei ja so mutig und besonders, was sie da unternehmen, und es werde bestimmt nicht leicht, Respekt! Und so weiter. Dabei gibt es nichts einfacheres, als sich einfach der orthodoxen Mehrheits-Meinung anzuschließen und sich so die Zustimmung von jedem letzten Unbeteiligten abzuholen, der denkt, anderer Leuts Körper gingen ihn irgend was an. Das ist das selbe merkwürdige Paralleluniversum, in dem irgendwelche Trolle auf den Fat-Acceptance-Blogs aufschlagen und lautstark fordern, dass man ihr Recht, abnehmen zu wollen, auch anerkennt, weil sie nämlich sonst unterdrückt werden, wenn Leute einfach so frech sind und sagen 'Abnehmen ist quatsch und funktioniert nicht'.

Aber ich schweife ab. Die Todesdrohung. Michelle von 'The Fat Nutritionist' hat sie mal gründlich auseinandergenommen.

In kurzer Zusammenfassung: dies sind die Fehlannahmen, die 'jeder weiß', und die aufeinandergestapelt werden, um die standardmäßige 'gutgemeinte Todesdrohung' auszustoßen, die jede(r) Dicke schon mal gehört hat:
  1. Fettleibigkeit ist eine selbstverschuldete Krankheit, die von zu viel Essen kommt.
  2. Wenn jemand sichtbar krank ist, hast du das Recht, ihm zu sagen, er habe das bleibenzulassen. Weil nur Verlierer krank werden und sterben.
  3. Jeder hat die Pflicht, seine offensichtlichen Krankheiten in der Weise zu bekämpfen, die allgemein gesellschaftlich anerkannt sind.
  4. Wenn du nun jemanden dabei erwischst, wie er ganz unverschämt dick (=krank) ist, und dann auch noch non-compliant daherkommt (=nicht die Standard-Behandlung), dann hast du das Rech, nein, die PFLICHT, sie genussvoll darauf hinzuweisen, dass sie davon sterben werden. Genauso, wie man es mit einem Raucher mit Lungenkrebs macht, oder einem Krebskranken, der unkonventionelle Methoden ausprobiert, nachdem die konventionellen versagt haben.
  5. Bonus für Nicht-Amerikaner: weise den Kranken auch noch verärgert darauf hin, dass er mit seiner unverschämten und ungehorsamen Krankheit unser schönes öffentliches Gesundheitssystem ruiniert.
Da wir aber wissen, dass a) jeder einzelne Unterpunkt von 1) nicht wahr ist, und b) nur ein absolutes Charakterschwein die anderen Punkte auf irgend eine der anderen 'Kranken' außer den Dicken anwenden würde, können wir die Todesdrohung von diesem Blickpunkt aus gut auseinandernehmen.

Kommentieren



sphingula04, Montag, 30. Juli 2012, 11:28
"Da wir aber wissen, dass ... nur ein absolutes Charakterschwein die anderen Punkte auf irgend eine der anderen 'Kranken' außer den Dicken anwenden würde..."

Mit Verlaub, da leidest Du an Betriebsblindheit.

"Wenn jemand sichtbar krank ist, hast du das Recht, ihm zu sagen, er habe das bleibenzulassen. Weil nur Verlierer krank werden und sterben. ... Jeder hat die Pflicht, seine offensichtlichen Krankheiten in der Weise zu bekämpfen, die allgemein gesellschaftlich anerkannt sind."

Hast Du Dich mal mit psychisch Kranken, oder mit Suchtkranken zu dem Thema unterhalten? Ich schätze, da hat ein extrem hoher Prozentsatz genau dieselbe Erfahrung gemacht wie Du als Dicke. Und jede Menge anderer Menschen mit anderen Krankheiten ebenso... So eine Monopolstellung, wie Du es empfindest, hast Du als Dicke dann doch nicht. :-)

xarminta, Montag, 30. Juli 2012, 16:05
Da könntest Du recht haben -- ich denke da etwa an A., an die Du dich sicher auch noch erinnerst. Und ja, Depressive bekommen auch solche Kommentare, nach dem Motto "Lächel doch einfach mal".

Dabei ist allerdings die Grundannahme schon fehlerhaft. Dicksein an sich ist keine Krankheit. Okay, es ist in den WHO-Richtlinien als eigenständige Krankheit definiert, aber da war bis vor wenigen Jahren auch Homosexualität noch eine Krankheit. Wenn Du beim Original-Artikel reinguckst (gerne auch mit Google Translate!), dann siehst Du auch, wie dieser Absatz geradezu gescheckt ist mit Links, die die Grundannahme auseinandernehmen.

Aber wie auch immer, es verletzt 'Wheaton's Law': Don't Be A Dick, zu deutsch etwa: 'Benimm dich nicht wie ein Arschloch deinen Mitmenschen gegenüber'. Deswegen wurde diese Woche übrigens No Snark Week ausgerufen, also die 'anranz-freie Woche'. Mal sehen, wie ich das durchhalte...

(Boah, jetzt bin ich aber abgedriftet.)